Der Wunsch - einmal in die Region El Minya in Mittelägypten zu fahren, schlummerte schon länger in mir. Denn in dieser Region befinden sich in Beni Hassan u. a. die Felsengräber von Gaufürsten der 11. und 12 Dynastie. Aber - wie schon so oft - fand ich niemanden der spontan und individuell mitfahren wollte und wendete mich deshalb an Emad Saladin von "Reisen in Ägypten". Wieder eine gute Idee, denn durch ihn wurden wir zu einer kleinen Gruppe von 5 Teilnehmerinnen und konnten am 13.03.2016 in Richtung Mittelägypten starten. Nach El Minya, Beni Hassan usw. und später weiter nach Kairo. Allerdings fuhren wir von Safaga aus, die ganze Tour bis Ankunft in Kairo unter Polizeischutz. Vor uns ein Wagen, hinter uns ein Wagen und im Bus ein Geheimpolizist mit einem Maschinengewehr, wie ich es vorher noch nie gesehen hatte. Beim Abendrundgang in El Minya, durfte man sich maximal zwei Meter unseren Schutzleuten entfernen. Zudem rief die Touristenpolizei alle 20 Minuten an und frage: wo seit ihr?, was macht ihr?, ist alles in Ordnung? Das war für mich persönlich eher bedrückend. Von Touristen keine Spur und so wie wir angestarrt wurden - sind ganz sicher auch schon sehr lange keine dort gewesen.
13.03.2016 - das erste Ziel - Tell el-Amarna - Achetaton - Horizont des Aton. Erschaffen vom "Ketzerkönig" Echnaton - der sich selbst so nannte - aber eigentlich Amenophis IV hieß. Er erschuf um 1339 v. Chr. "seine neue" Hauptstadt" und verlagerte die Verwaltungsresidenz der Macht - von Theben - in das bis dahin unbewohnte Gebiet beidseitig an die Ufer des Nils und kennzeichnete sie durch 14 Grenzstelen.
Das Areal ist riesig - deshalb haben wir uns nur einen kleinen Teil angesehen. Viel ist vom ehehemaligen Nordpalast nicht mehr geblieben. Allerdings lassen sich die Grundrisse einiger Räume noch recht gut erkennen. Ansonsten ein paar Mauerreste aus Nilschlammziegeln und einige Steinsäulenruinen sind die einzigen Überreste dieser einst glanzvollen Anlage, von der vieles schon wieder unter dem stetigen Flugsand verschwunden ist. Damit das Ganze nicht all zu trostlos ausschaut hat man auf den Gelände des kl. Aton Tempels m. E. eine Säule rekonstruiert. Der Tag, an dem Archäologen den größten Fund in dieser Region gemacht haben - war am 06.12.1912 als man den Kopf der berühmten Königin Nofetete aus dem Sand zog.
Um ein wenig mehr in die vergangene Zeit "eintauchen" zu können fuhren wir zum Gebirgsrand, wo sich - in den Felsen oberhalb der einstigen pharaonischen Stadtfläche - die teilweise - sehr gut erhaltenen "Grabkammern der Noblen" befinden. In Begleitung eines Polizisten mit Maschinengewehr stiefelten wir den Berg hoch. Schade nur, dass es ausgerechnet an diesem Tag sehr diesig und Luft sehr feucht war, ansonsten hätten wir zudem eine grandiose Aussicht genießen können.
Zurzeit sind 6 Gräber für neugierige Besucher geöffnet. Im Grab des Hohepriesters Merire I z. B. ist das Königspaar abgebildet, wie es zum Sonnentempel fährt. Die Farben sind zum gr. Teil sehr schön erhalten. Anhand der herrlichen Wandbilder kann man sich mit ein wenig Fantasie - das Leben am Hof des Königspaares Echnaton und Nofretete - sogar ein kleines bisschen vorstellen.
Weiter gehts nach - Tuna el-Gebel - Der Ort liegt ca. 45km südlich von El Minya Stadt. Die letzte Totenstadt von Hermupolis (heute El Aschmunein), die bis ins 5. Jhr. vor Christus zurück reichen soll - mit ihren zahlreichen Stein- und Lehmziegelgräbern aus der ptolemäischen- und kaiserzeitlichen Zeit Ägyptens. Wir haben an diesem Tag nur ein Bruchteil dessen gesehen was es hier ganz sicher alles zu entdecken gibt.
Als das bekannteste Grab gilt das von "Petosiris" - der seinerzeit Hoheprister des Thot von Hermupolis war und diesen tempelartigen Grabbau als Familiengrab für seinen Vater, seinen ältesten Bruder und sich selbst errichten ließ. Auf den ersten Blick erinnerte er mich an eine mini Ausgabe des Tempels in Esna. Ein Tempelgrab so ganz nach meinem Geschmack, klein, "handlich" und wunderbar überschaubar. An dessen so sehr lebendig verzierten Wänden man sich kaum satt sehen kann, so detailgetreu und schön sind sie gestaltet, aber vorallem erhalten.
Nur ein paar Schrittte entfernt steht eine kleine hüpsche Kapelle, die für unsere Augen leider verschlossen blieb. Später hab ich gelesen, dass es sich um das Gab eines gewissen Ptolemaios handeln soll.
Tomb of Isidora: Unweit vom Grab des Petosiris – befindet sich das Grab von Isidora - zu dem vor Ort eine tragische Liebesgeschichte erzählt wird: Isadora - ein wunderschönes junges Mädchen einer wohlhabenden Familie aus Hermopolis liebte einen jungen Mann von einfacher Herkunft- aus Antinopolis - auf der anderen Seite des Nils. Als sie diesen nach einem Streit mit ihrem Vater per Boot besuchen wollte, kenterte es und sie ertrank. Ihr Vater versank in tiefe Trauer und baute für die geliebte Tochter ein eher schlicht gehaltenes Grab, damit „seine“ Isadora nie in Vergessenheit geraten kann. Bis heute liegt ihre sehr gut erhaltene Mumie in diesem Grab.
Zuletzt schauten wir noch in die Kartakomben der heiligen Tiermumien. Seit ca. 570 v. Chr. wurden hier mumifizierte Falken, Ibise, Paviane und viele andere Arten, bis hin zu winzig kleinen Mäusemumien - die zu hundertausenden u. a. in Kalkstein- oder Tongefäßen in den weitverzweigten unterirdischen Grabgalerien beigesetzt. Ein Ort, der auf mich ein wenig faszinierend - aber mehr abstoßend wirkte, was ggf. auch dem unangenehmen Geruch lag.
Genug Kultur für heute - wir fuhren zurück nach el Minia und bezogen unsere Zimmer im MC Nefertiti Hotel, direkt am Nil-Ufer gelegen. Beim Abendrundgang in El Minya, durfte man sich - wie oben schon einmal angemerkt - maximal zwei Meter von unseren "Beschützern" entfernen und entschlossen uns daher recht schnell zum Hotel zurück zu kehren. Das Fremde Besucher hier so streng bewacht werden müssen ist ggf. nicht unbegründet - aber evtl. scheint alles ein wenig übertrieben zu werden. Auch wenn in keiner anderen Stadt Ägyptens Christen so verfolgt wurden wie hier und in keinem anderen Ort mehr Christiliche Einrichtungen zerstört wurden wie hier. Fakt ist: das neben Assiut die Stadt sich seit den neunziger Jahren mehr und mehr zu einer islamistischen Hochburg verwandelte. .... Im Partyzelt vor dem Hotel spielte man überlaute Musik und so zog es uns doch sehr schnell unter die Bettdecken in unsere Zimmer zurück. Aber irgendwann wende ich mir diese Stadt nocheinmal genauer ansehen.
14.03.2016 - Am anderen Morgen versuchte sich die Sonne über den dunstverhangen Nil zu kämpfen und hatte mehr Erfolg als gestern. Unser erstes Ziel am heutigen Tag - Deir Abu Hor in der Ortschaft Sawada auf der östlichen Nilseite. Da die Zeitplanung für unseren letzten gemeinsamen Tag etwas eng wurde und wir am gleichen Tag noch nach Kairo fahren mussten - sahen wir uns zuerst die unterirdische Felsenkirche aus den 4. Jhr. an, die einem Mönch- und Märtyrer geweiht ist. Wie viele andere, ist auch dieser Ort ein Wallfahtsort für gläubige Christen, die sich jedes Jahr Mitte Juli - zu Tausenden hier treffen.
Zawyet el-Meitin (Maiytin) - Zwayet Sultan und Kom el-Ahmar- Hier gibt es u. a. neben den Überresten einer aus der dritten Dynastie stamenden Stufenpyramide - von denen es baugleich sieben im ganzen Land geben soll. Und auf der anderen Seite des Geländes erstreckt sich einer der islmischen Friedhöfe des Landes. Soweit das Auge reicht - Kuppelgrag an Kuppelgrab - die sich vom Nilufer bis Ränder des Berges schmiegen. Im Berg selbst befinden sich in hoher Lage etliche Felsengräber von örtlichen Beamten aus den Alten- und Neuen Reich, die allerdings für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sein sollen.
Die Nekropolen von Beni Hassan: befindet sich am Ostufer des Nils, runde 24 km südlich der Provinzstadt El Minia und ich kann nur sagen - beeindruckend - sehr beeindruckend. Die "Angst" vor den Aufstieg in die Berge, wo sich die Gräber aus den Dynastien XI und XII befinden, war unbegründet. Sicher war es anstrengend bei über 30°C und unglaublich schwüler Luft, aber es hat sich wirklich gelohnt - einfach toll. Die Gräber sind schon was ganz besonderes, da sie so ganz anders sind als die, die ich aus den vielen bisher besuchten Gegenden kenne. In unzähligen Gräbern (inkl. Schachtgräbern) haben in dieser Gegend überwiegend Gaufürsten, Bürgermeister, hohe Beamte und auch deren Bedienstete aus dem Mittleren Reich ihre letzten Ruhestätten gefunden. Vier - von mehr als 35 Gräbern - sind für die Öffentlichkeit zugänglich. Im Innenbereich der Felsengräber befindet sich sehr schöne und detailierte und vor allem sehr lebensnahen Darstellungen, wie Opfer-, Ernte-, und Jagdszenen, Musik- und Sportveranstaltungen sowie vielfältige Handwerksarten.
Weiter ging es zur ... Klosterkirche Deir el-Adhra am "Gebel el-Teir" (auch al-Tayr) - dem Vogelberg - der seinen Namen - den immer wiederkehrenden - tausenden von Vögeln verdankt, die an seinen Felswänden nisten. Die Klosterkirche der "Jungfrau" selbst ist eigentlich eine Höhlenkirche, von der gesagt wird, dass sie das erste Christliche Gotteshaus Ägyptens gewesen sei. Immer wieder bewundernd - was Menschen in jener Zeit für herrliche Bauten geschaffen haben. Man kann sehr deutlich erkennen, dass die tragenden Säulen aus dem puren Fels gehauen sind. Bis Mitte des 19 Jh. soll das Kloster fest - von Mönchen bewohnt worden sein. Über die Höhle wurde später die heutige Kirchenfassade gebaut. Das Areal - bestehend aus verschieden Ebenen - ist wirklich riesig.
Das muss es aber auch - denn 3 mal im Jahr - im Januar, Juni und August wird die Stätte zum Pilgerort von unzählichen Gläubigen, um u. a. auch ihre Kinder taufen lassen. Es gibt eine herrliche Terrasse, von der man einen unglaublich tollen Blick über das satte Fruchtland - bis hin zum Nil hat.
Wer diese beiden herrlichen Orte Abu Hor und Deir el Adhra besuchen möchte, sollte aber unbedingt auf angemessene Kleidung achten, auch wenn es noch so warm ist - nackte Schultern oder unbedeckte Knie sind absolutes Tabu. Abu Hur und Deir el-Adhra gehören zu den Orten, die ich - immer wieder liebend gern besuche und von denen es in dieser Region noch etliche gibt. Genau wie bei den Muslimen - gibt es auch in den Koptischen Kirchen eine Geschlechtertrennung. Frauen befinden sich zur Messe in den rechten, Männer bzw. deren Familien in männlicher Begleitung in den linken Teil der Kirche(n).
Von der Regierung vergessen: In den Dörfern rund um El Minya herrscht bittere Armut, was früher ggf. irgendwie mal faszinierend war, hat mich dort einfach nur noch bedrückt. In der Gegend wird Kalk abgebaut. Die Bäume, die Häuser einfach alles ist einem weißen Schleier überzogen. Eine zweite weiße, aber von Grund auf hässliche Wüste. Selbst die Menschen hatten nicht mehr ihre natürlich braune Hausfarbe, sondern waren alle samt grau. Und überall wilde Hunde, massenhaft wilde Hunde. Eine mitreisende Frau frage mich: "Gibt es denn hier keine Tierheime? Die armen armen Hunde". Tja, was soll man da sagen. ...
Endpunkt unserer gemeinsamen Reise war das Hotel Mövenpick Pyramids (heute nennt es sich Steigenberger Cairo Pyramids) in Giza. Das Haus war sehr gut besucht, wir waren die einzigen Deutschen, ansonsten Ägypter und Asiaten. Untergebracht wurden wir im neuen Teil des Hotels und von meinem Balkon aus konnte ich sogar die Pyramiden sehen. An dem in der Nähe liegenden Bau des neuen "Grand Museums" stehen die Arbeiten still. ...
Leider musste ich mich von meinen Mitreisenden verabschieden, sie wollten sich Kairo noch etwas näher ansehen. Mir blieb noch ein Tag für einen Besuch bei einer liebe Freundin, die seit vielen Jahren in der Megastadt lebt - ein Besuch, der mir immer wieder sehr viel bedeutet.
Einen Tag später flog ich mit "Egypt Air" zurück ans Rote Meer. ....
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