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Kairo, ich komme!

26.03.2004 - Nun war ich schon zu x-ten mal in Ägypten, aber noch nie in Kairo. Mein Terminkalender war voll und ich hatte noch so viel vor. Aber ich musste hin, deshalb nahm ich mir einen von meinen 10 Urlaubstagen und düste kurz vor Urlaubsende für 30 Euronen von Hurghada aus los. Mein Ticket hatte ich bei "Ali" gekauft. Abfahrt am Donnerstag den 26.03.2004 um 2.30 Uhr. Die erste Pause auf unserer Reise zu den Pyramiden war an einer, im wahrsten Sinne des Wortes, Barackenraststätte mitten in der Wüste. Hier gab es heißen Tee und Toiletten, wenn die Blase drückt ist es oft egal was für welche. Dafür, dass es heute an den Busrouten durch die Wüste Toiletten mit fließendem Wasser gibt, ist allein Mohamady Hwaidak verantwortlich (der Gründervater von Hurghada). Inzwischen zeigte die Uhr 7.30 Uhr und in der Wüste war es bitter kalt. Einige Gäste hatten keine Jacken mitgenommen und froren. Wie viele Pausen auf unserer Reise nach Kairo gemacht wurden, eine, zwei, ... es können aber auch drei gewesen sein, ich habe keine Ahnung mehr. Zwischendurch kamen wir an Felder, mit Hunderten von Windkrafträdern vorbei, so etwas hätte ich hier nicht vermutet. An einer Polizeistation entdeckte ich in der Ferne einen Lastwagen der irgendwie komisch aussah.

10.05 Uhr - Noch 100 km bis Kairo! Je näher wir der Megastadt kamen, je trüber und grauer wurde der Himmel. Unser Bus fuhr auf eine riesige Metropole zu, die über 17 Millionen Einwohner haben soll und sie wächst und wächst immer weiter. Eine tatsächliche Einwohnerzahl, kann wohl niemand genau sagen. Gegen 11.20 Uhr tauchten die ersten Häuser auf. Meine Gedanken überschlugen sich: In dieser Stadt soll es über 1.000 Minarette und rund 500 Moscheen geben. Unglaublich!
 
Kairo war nicht immer die Hauptstadt Ägyptens. Um die Geschichte dieser Stadt genauer zu erzählen, müsste man in der Eiszeit beginnen. Das werde ich natürlich nicht tun, sondern die Angelegenheit grob zusammenfassen:
 
Vor etwas 5.000 Jahren (ca. 3.000 v. Chr.) entstand, nach meiner Recherche, die erste Hauptstadt Ägyptens, mit dem bekannten Namen Memphis. Ganz am Anfang hieß sie wohl Kemet oder die Stadt des Ptah. Die Griechen sollen ihr erst viel viel später den Namen Memphis gegeben haben. Vor ca. dreieinhalbtausend Jahren (so ca. um 1.500 v. Chr.) soll Karnak, die heutige Stadt Luxor, für viele Jahrhunderte die Hauptstadt gewesen sein. Wiederum fast tausend Jahre später waren es Alexandria und Heliopolis. Es dauerte wieder mehr als ein halbes Jahrtausend bis die Araber eine neue Hauptstadt mit dem Namen El Kahira, die „Siegreiche“ gründeten. Offiziell soll Kairo um 1.000 „geboren“ sein und hatte demnach vor ein paar Jahren ihren 1.000. Geburtstag.
 
Die Reiseführung erzählte uns, dass Kairo eine Metro hat, in der zur Zeit zwei Linien verkehrten, eine dritte Linie ist im Bau. (*1) Kairos U-Bahn ist das einzige voll entwickelte System dieser Art in ganz Afrika. Der erste Waggon eines Zuges ist auf allen Strecken NUR für Frauen reserviert. Zur Hauptverkehrszeit auf bestimmten Teilstrecken auch noch der zweite Wagen. (*2) In diesen Wagen dürfen keine Männer und auch keine männlichen Jugendlichen fahren. Und auf dieses besondere Merkmal sollte MANN unbedingt achten, ansonsten werden sie an der nächsten Station von den Frauen unter großem Gezeter hinausbefördert oder von einem Polizisten entfernt. (*3) Die Strafe für solche "Falschfahrer" betrug (damals) ca. 10 LE. Das ist ne "Menge Holz".
 
Die Linie 1 wurde am 1. Oktober 1987 eröffnet. Zwei oberirdische Strecken wurden durch ein großes Untergrundstreckenstück unter dem Stadtzentrum miteinander verknüpft. Sie soll im ganzen ca. 44 km lang sein, wovon 3 km in der City unterirdisch verlaufen. Ihre 33 Haltestellen bedienen stündlich, in jede Richtung, ungefähr 60.000 Fahrgäste. Mitte der neunziger Jahre wurde mit dem Bau einer zweiten Linie das Metrosystem der Stadt kräftig erweitert. Heute ist die Linie 2 etwa 22 km lang und hat 20 Stationen. Als erstes Transportmittel unterquert sie den Nil.
 
Unser erstes Ziel war das Ägyptische Museum, eines der berühmtesten der Welt!  Seit 1902 kann man hier - über zwei Stockwerke verteilt - über 150.000 einmalige Gegenstände aus ungefähr 4.500 Jahren bewundern. Das Gebäude das ich hier betrat, ist inzwischen das fünfte Haus, welches die Kunstschätze beherbergt, alle Vorgänger wurden zu klein. Im Keller sollen noch Hunderte von Gegenständen lagern, die noch nicht katalogisiert sind, viele Ägypter unken heute schon, dass dann wieder Archäologen kommen müssten um diese Arbeit zu erledigen. Angeblich gibt es Pläne für einen neuen Bau in der Nähe der Pyramiden. Ich bekam leider nur einen (kleinen) Ein- und Überblick von der reichen Geschichte und Kultur des Landes, das mich seit Jahren fasziniert. Hier konnte ich einen Teil dessen bewundern was Howard Carter am 04.11.1922 entdeckte.
 
Wie sagte unserer Reiseleiter, der sich „Casanova“ nannte und mit seinem „Quietschehammer“ als Erkennungszeichen, dass wir zu ihm gehörten: Wenn wir jedem Gegenstand in diesem Museum auch nur eine Minute widmen würden, bräuchten wir neun Monate, um alles gesehen zu haben. Wir aber hatten nur zwei Stunden! Tatsächlich stockte mir immer wieder der Atem. Die sagenhaften Schätze aus dem Grab von Tut-Anch-Amun, z.B. die Grab (oder Toten-) Maske, die aus massivem Gold ist und mit Lapislazuli, Türkisen und Qarziten verziert ist, Mumien, Sarkophage und vielem mehr. Beim sagenhafte Goldschatz von Tut-Anch-Amun, man nimmt an, dass der „Ketzerkönig“ Echnaton I. sein Vater war. Ich war wie verzaubert von Pracht der Gegenstände. Dieser junge Pharao regierte ca. neun Jahre lang. Es wird angenommen, das er nur ca. 19 Jahre wurde und an einem Hirntumor und einem Lungenleiden verstarb. Andere Mutmaßung gehen bis zu einem Lebensalter von ca. 27 Jahren. Spekuliert wird bis heute. 

Ich denke, jeder kennt die eben erwähnte Totenmaske diese Pharaos. Die Schmuckstücke oder auch Grabbeigaben werden genauso gezeigt, wie sie im Grab gelegen haben und gefunden wurden. Tut-Anch-Amun, bedeutet „Lebendes Bild des Amun". Der Mumiensaal beherbergt die Mumien der elf berühmtesten Pharaonen, u.a. von Ramses II. und Tutmosis II. Der ehemalige ägyptische Präsident Sadat ließ den Mumiensaal 1981 aus Respekt vor den Toten schließen. Seit 1995 ist er zum größten Teil für die Öffentlichkeit wieder zugänglich. Alle Besucher wurden gebeten sich entsprechend zu verhalten. Es gab auch niemanden, der laut war, alle unterhielten sich, wenn überhaupt, im Flüsterton. So etwas Ähnliches hatte ich vor Jahren in der jüdischen Gedenkstätte Bergen-Belsen erlebt. Das Bedürfnis eines normalen Gespräches reduziert sich auf ein Minimum, die Eindrücke waren zu ergreifend, jedenfalls ging es mir so. Ich hatte sogar ab und zu eine Gänsehaut!
 
Der Begriff Mumie stammt vom arabischen Wort „Mumiya“, kommt aber ursprünglich aus dem Persischen. Es bezeichnet das natürlich gewonnene, im Volksmund Erdpech genannt (ein Kohlenwasserstoffprodukt), dem man bis ins 19. Jahrhundert hinein in Nordafrika und sogar in Europa immense Heilkräfte zuschrieb. Im alten Ägypten wurde dieses Erdpech zur Konservierung der Toten verwendet. Bereits im 12. Jahrhundert begann man damit ägyptischen Mumien das Erdpech wieder abzugewinnen. Anfangs galt das Interesse nur dem Erdpech. Später verarbeitete man gleich ganze Mumien. Als die Nachfrage im 16. Jahrhundert derart stieg, wurde in den muslimisch-arabischen Ländern die Todesstrafe für Mumienhandel verhängt. Trotzdem wurde eine ungeheure Anzahl der Mumien lieblos aus der Ewigkeit gerissen. Im neuzeitlichen Ägypten wurden Särge samt Inhalt mangels alternativem Brennmaterials verfeuert und man nutzte mumifizierte Arme und Beine als Fackeln. Zentnerweise wurden die Mumien nach Europa und Amerika verschifft, dort wickelte man sie aus, um aus den leinenumwicklungen Papier, oder eine Ölfarbe namens „Mummy Brown“ herzustellen. Auch zu Pulver zermahlen fand man sie in jeder Apotheke, als Mittel gegen allerlei Gebrechen. Ob das Medikament „Mumie“ tatsächlich irgend eine Wirkung gezeitigt hat, wage ich mal stark zu bezweifeln. Aber immerhin noch im Jahr 1924 führte das Pharmaunternehmen Merck in Darmstadt das Produkt „Mumia Vera Ägyptica“ in seinen Preislisten auf. Es kostete 12 Goldmark pro Kilo. In gehobeneren Kreisen des 19. Jahrhunderts pflegten einige Herrschaften Mumien-Souvenirs von ihren Nilreisen als Gag zur Geisterstunde auszuwickeln. Das dürfte wohl auch mit einer der Gründe sein, warum so viele Pharaonenmumien auf nimmer Wiedersehen verschwunden sind. Quelle (u.a.): www.chufu.de (Rubrik–Totenkult)
 
Gegen 14 Uhr chauffierte uns der Bus zu einem Hotel, in dem es ein Mittagessen gab. Im Museum gab Momente, da dachte ich allein zu sein, so berauschend waren die Eindrücke, hier aber bemerkte ich die ganze Horde erst richtig. Was soll ich viel erzählen, ich denke jeder kann sich vorstellen wie es ist, wenn gut 50 Menschen die ersten am Buffet sein wollen. Zu erwähnen ist das hervorragende Essen, das serviert wurde, und das die russischen Gäste alle samt wieder mal sehr unangenehm auffielen. Wir fuhren durch die Pyramidenstraße, die Hauptstraße von Giza, die erste Straße Ägyptens, die schon im 19. Jahrhundert voll und ganz asphaltiert wurde, und an der die Hotels wie Perlen an einer Schnur sich aneinander reihen.
 
Als ich die Pyramiden das erste Mal aus der Ferne sah, war ich enttäuscht. Im Fernsehen sahen diese Bauwerke immer so mächtig gewaltig aus und mein erster Gedanke war: „Die sind ja klein!“. Wir befanden uns noch auf einer Zubringerstraße und ich hoffte, dass mir evtl. die Entfernung einen Streich spielte.
 
„Es ist unmöglich der Pyramiden überdrüssig zu werden“, sagte schon 1877 die berühmte Ägyptologin Amelia Edwards und sie hatte Recht. Drei imposante Pyramiden warteten auf mich. Die größte aller ägyptischen Pyramiden ist die Cheops-Pyramide. Pharao Chufu (Cheops ist der griechische, der bekannteste und genutzte Name) ließ sie sich um 2.690 v. Chr. als Grabmal errichten. Dieser Zeitraum war auch die Zeit der ägyptischen Hochkultur, von der heute leider nichts mehr übrig ist. Die Cheops-Pyramide bildet zusammen mit „ihren zwei Schwesterpyramiden“ Chephren und Mykerinos und der Sphinx das älteste und letzte noch existierende Weltwunder der Antike. Ursprünglich war sie ca. 147m hoch, mit einer Seitenlänge von 230m, heute soll sie durch teilweise Abtragung (z.B. Wind und Wetter) an ihrer Spitze nur „noch“ rund 137m. hoch sein. Die Grundfläche der Pyramide beträgt unvorstellbare ca. 53.075 m². Eigentlich kann man die wahren Eindrücke kam wiedergeben. Es ist einfach zu gigantisch vor solch einem riesigen Bauwerk zu stehen. Ich bin selten sprachlos, aber hier war ich es.
 
Für fast 4.000 Jahre war sie das höchste Bauwerk. Ursprünglich war die Cheops-Pyramide mit poliertem Kalkstein verkleidet. Leider sind im Laufe der Jahrtausende viele der Steine herabgefallen oder später für andere Gebäude in Kairo verwendet worden, sodass die darunterliegende Struktur einer Stufenpyramide sichtbar wird. Heute noch lässt sich der ehemalige Glanz der Bauwerke erahnen, wenn man sich die Spitze der neben der Cheops-Pyramide liegenden Chephren-Pyramide anschaut. An ihr sind noch die alten Verkleidungssteine erhalten, wenn auch, u.a. durch die klimatischen Bedingungen, sie nicht mehr ganz so glänzend aussehen. Das Baumaterial besteht aus Kalkstein, Basalt oder Granit. Die Blöcke sollen ein Gewicht von zwei bis vier Tonnen pro Block haben. Unglaublich wenn man an die „damaligen“ Arbeitsmittel-, Bedingungen- und Möglichkeiten denkt.
 
Hier noch etwas für diejenigen die es ganz genau wissen wollen: Die geographische Lage der Cheops-Pyramide lautet: N 29° 58’ 44.1“, O 31° 8’ 3“. Kaum 300m von Pyramiden entfernt steht die Sphinx. Sie ist 20m hoch und 73m lang. Als ich vor ihr stand, ging hinter den Pyramiden die Sonne unter, ich hatte alle vier Bauwerke im Blick, diesen Moment werde ich wohl nie vergessen. Alle vier Bauwerke wurden wurden 1979 von der UNECO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.
 
Junge Männer auf Kamelen lieferten sich, zur allgemeinen Volksbelustigung, ein kleines Wettrennen. Einige Souvenirverkäufer waren unterwegs und versuchten ihre Postkarten und Plastikpyramiden an uns zu verscherbeln. Die ganze Atmosphäre hatte teilweise etwas Unwirkliches. Auf dem Weg zum Bus habe ich mich immer wieder umgedreht, um mir den Anblick genau einzuprägen.
 
Gegen 18.30 Uhr sollte der Bus dann wieder nach Hurghada zurückfahren. Daraus wurde nichts. Der Reiseführer versuchte alle Gäste noch mal fix durch einen Parfümshop zu lotsen, denn er ist ja am Umsatz mit einer klitzekleinen Provision beteiligt. Durch meine Einkäufe hatte er jedenfalls nichts dazu verdient. Kurz nach 19 Uhr ging es dann tatsächlich los, wir fuhren zurück zum Ausgangpunkt. Am Ende des Tages war ich gute 23 Stunden auf den Beinen. Aber es hatte sich gelohnt und ich würde es sofort wieder tun.
 
Es dauerte gute 5 Jahre bis ich wieder vor diesen grandiosen Bauten stehen sollte.
 
 
Update 02/2018:

(*1) Die dritte U-Bahnlinie ist bis etwa zur Hälfte vollendet, und die neuen Stationen für den Verkehr freigegeben.
 
(*2) Seit vielen Jahren befinden sich die Waggons für die Frauen im mittleren Abschnitt des U-Bahn-Zuges. Und eine Beschilderung auf den U-Bahn Bahnhöfen sind hierfür angebracht wurden.
 
(*3) Die männlichen Fahrgäste jeden Alters dürfen nach 20 Uhr die Frauenabteile mit benutzen. Zu dieser Zeit, wie auch zu anderen Tageszeiten, wenn hohes Fahrgastaufkommen herrst, sind die männlichen Fahrgäste in den Frauenabteilen solange geduldet diese ein korrektes Verhalten aufzeigen. Ansonsten werden die Männer in der nächsten Station lautstark an die Luft gesetzt.