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Warum die Insel langsam austrockent

"Wenn es viel regnet, erinnert sich niemand daran, dass wir im Mittelmeerraum immer mal wieder Dürrezeiten haben", erklärt Alfredo Barón. Fast 45 Jahre lang hat der 73-jährige Hydrogeologe beim balearischen Wasseramt gearbeitet, das dem Umweltministerium der Insel angehört, er kennt jeden Brunnen aus dem Effeff. In diesem Sommer ist die Trockenheit allerdings zum Gesprächsthema Nummer eins geworden. Mallorca geht das Wasser aus. Die Trinkwasserbestände befinden sich auf dem niedrigsten Niveau der vergangenen Dekade. Der Grundwasserpegel beträgt 47 Prozent, die großen Stauseen der Tramuntana sind zu 42 Prozent gefüllt, gab das Umweltministerium in diesen Tagen bekannt. Im Vorjahreszeitraum lagen sie bei 60 Prozent. Im vergangenen Herbst und Winter hat es einfach zu wenig geregnet, um die Wasserreservoirs der Insel aufzufüllen. Doch Wasserexperte Alfredo Barón betont, dass es in der Vergangenheit versäumt wurde, für Phasen der Trockenheit genügend Wasserreserven zu schaffen.

Infrastruktur wurde vernachlässigt

Die Bevölkerung der Insel wächst schnell, immer mehr Touristen - in diesem Jahr sogar historisch viele - strömen nach Mallorca, doch die Pflege des Wassernetzes, der Brunnen, der Reservoirs und der Kläranlagen wurde in den vergangenen Jahren vernachlässigt. In diesem Sommer muss die Balearen-Regierung nun insgesamt 13 Millionen Euro für verschiedene Maßnahmen der Trinkwasserversorgung bereitstellen. "Die Infrastruktur wurde nicht gepflegt", betont Barón. So seien die Kläranlagen der Inseln veraltet. Geklärtes Wasser könnte inselweit zum Gießen, für die Straßenreinigung und die Landwirtschaft genutzt werden. In Palma beispielsweise werden mit dem Klärwasser die Felder rund um Sant Jordi sowie Golfplätze bewässert. Es gab Planungen, die diese Vorgehen für ganz Mallorca vorsehen, doch müsste dafür die Leistung der Kläranlagen stimmen. Auch der Zustand des veralteten Wassernetzes lässt zu wünschen übrig: "Derzeit verlieren die Netze 30 Prozent des Wassers. Es wurde nicht mal der Versuch unternommen, das zu beheben", sagt der Hydrogeologe. In der Dürrezeit investieren die Gemeinden nun mittlerweile in ihr Wassernetz, doch so schnell lassen sich die Lecks nicht stopfen. Die Entsalzungsanlagen der Insel laufen mittlerweile auf vollen Touren, das war nicht immer so. Ohne entsalzenes Wasser bräche die Versorgung in diesem Sommer in weiten Teilen zusammen, sagte die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol bereits im Februar. Bei Vollbetrieb versorgt die Anlage in Palma etwa 350.000 Menschen mit Trinkwasser. Das Trinkwasser wird zu einem großen Depot in Palma geleitet und von dort zusammen mit Grund- und Quellwasser auf die Inselhauptstadt, Marratxí, Calvià und Andratx verteilt. Bisher hat Palma 3,2 Millionen Euro für den Kauf von entsalzenem Wasser ausgegeben, sechs Millionen sind in diesem Jahr dafür veranschlagt. In diesem Zusammenhang haben die Stadtwerke Emaya angekündigt, den Wasserpreis im kommenden Jahr für Großverbraucher wie Hotels anheben zu wollen.

Seit 2010 laufen Entsalzungsanalgen wieder auf Hochtouren

Zum ersten Mal seit 2010 läuft die Meerwasser-Entsalzungsanlage in Alcúdia auf Hochtouren. Auch die Entsalzungsanlage in Andratx, die seit ihrer Einweihung 2010 erst zehn Tage lang in Betrieb war, ist im April eingeschaltet worden. "Normalerweise müssen die Anlagen auch im Winter laufen", sagt der Experte, denn zum einen verursachen sie laufend Unterhaltungskosten, zum anderen werden so die natürlichen Wasserreservoirs geschont, sie können sich auffüllen. Inca hat erst in dieser Woche ein Abkommen mit dem Umweltministerium unterzeichnet, dem zufolge die Stadt sommers wie winters entsalzenes Wasser bezieht, im Sommer kostet der Kubikmeter einen Euro, im Winter 60 Cent. Mallorcas Trinkwasser stammt aus verschiedenen Quellen sowie dem Grundwasser der Tramuntana und der Ebene Pla. Auf der Finca Sa Costera in Escorca befindet sich eine der ertragreichsten Quellen der Insel, die seit 2008 zur Trinkwassergewinnung genutzt wird. Doch längst sind nicht alle Dörfer - von ländlichen Fincas ganz abgesehen - ans Trinkwassernetz angeschlossen, 49 Ortschaften darunter Teile Llucmajors, Valldemossa und Pollença werden aus Brunnen und Zisternen gespeist. Sinkt dort der Wasserspiegel, sitzen ganze Ortschaften auf dem Trockenen.

Die beiden Bergstauseen Cúber und Gorg Blau im Tramuntana-Gebirge dienen seit 40 Jahren als Trinkwasserreservoirs für Palma. Dort steigt der Bedarf im Sommer um ein Drittel an - besonders in den Küstenabschnitten. In den Sommermonaten wird ein Fünftel des Durstes der Inselhauptstadt von Cúber und Gorg Blau gelöscht. Das Wasser der Stauseen fließt durch Pipelines Richtung Stadt. Gemeinden, die am Wegesrand liegen wie Bunyola, werden ebenfalls versorgt. Das kühle Nass aus den Bergen landet schließlich im Wasserwerk von Son Tugores, ganz in der Nähe der Universitätsklinik Son Espases an der Straße nach Valldemossa. Bereits im vergangenen Jahr sagte Neus Truyols, Präsidentin der Stadtwerke Emaya im Gespräch mit dem Mallorca Magazin, dass die Inselhauptstadt kein Problem mit dem Trinkwasser bekommen werde. Palma verfügt über mehrere Brunnen, Depots sowie die Entsalzungsanlage. "Bis Palma kein Wasser mehr hat, ist der Rest der Insel längst vertrocknet", bestätigt Alfredo Barón. Doch in den anderen Inselgemeinden sieht es längst nicht so rosig aus. In Küstengemeinden wie Santanyí dringt Meerwasser in die Brunnen ein, das versalzene Wasser kann nicht mehr getrunken werden. Rund um Manacor und Sa Pobla weist das Leitungswasser aufgrund der Landwirtschaft und ihrer Düngemittel eine hohe Nitratbelastung auf. In mehreren Ortschaften wird das Wasser in diesem Jahr nicht zum Trinken geeignet sein.

Tramuntana-Dörfer besonders betroffen

Besonders in den Dörfern der Tramuntana wird das Wasser bereits rationiert, denn dort versiegen die Quellen aufgrund der Gesteinsstruktur besonders schnell. In Puigpun-yent wird entsalzenes Wasser zur Versorgung der Bevölkerung angekauft, Lastwagen bringen es in den Ort. In Estellencs sind die Bewohner angehalten, nicht mehr mit Trinkwasser zu gießen, ihre Pools zu befüllen oder Autos zu waschen. Per Dekret wurde der Wasserverbrauch begrenzt, Haushalte dürfen noch 300 Liter am Tag verbrauchen. In Banyalbufar, wo der Kubikmeter Wasser zwischen vier und sechs Euro kostet, fordert der Bürgermeister, dass die Einnahmen der Übernachtungssteuer für den Ausbau des Wassernetzes verwendet werden. "Maßnahmen gegen den Wassermangel lassen sich besser umsetzen, wenn genügend Nass vorhanden ist", sagt Barón. Aus seiner Sicht sei der Bau von Notspeicherbrunnen besonders in der Tramuntana notwendig. Doch zunächst bleibt keine andere Möglichkeit auf Mallorca, als auf den Regen im Herbst und Winter zu warten, damit sich die Stauseen, Brunnen und Grundwasserspeicher füllen. Bleiben die Niederschläge in der kühlen Jahreszeit wieder aus, steht Mallorca eine große Dürre bevor.

(aus MM 31/2016)