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Mein neues Menü - gar nicht so einfach

Wie schreibe ich meine Menüs? Also ein neues Menü zu schreiben erfordert sehr viel professionelle Arbeit. Als erstes wächst der Wunsch nach Veränderung. Der entsteht so ungefähr zwei Tage nach der Veröffentlichung des letzten Menüs. Dann geht es los mit der Auswertung der letzten Statistiken. Was wurde wie viele Male verkauft und warum so wenig? Dann kommt die Ermittlung des Angebotes und der saisonalen Bedingungen. Danach geht es los und überall liegen Zettel mit Ideen und Kopien von anderen Restaurants aus der ganzen Welt. Beliebt ist London und New York. Die meisten Sachen gibt es hier nicht, hört sich aber alles gut an. Auf die besten Gerichte von Gordon Ramsay, Thomas Keller und Wolfgang Puck kommen Alternative, bezahlbare, und verfügbare Lebensmittel, die es hier zu kaufen gibt. Also Filet! Vom Rind, vom Kamel, Wasserbüffel oder undefinierbar aus Indien. Könnte auch ein angeblich ausgestorbenes Urtierchen sein. Bei Fisch wird es viel problematischer! Wir haben Taucher als Gäste. Also Leute, die Fische als Tauchpartner ansehen und unter Wasser den den Bauch kraulen. Denen müssen wir erzählen, das der Fisch eigentlich ein Fleisch ist, und von ganz woanders her kommt. Außerdem Pflanzen wir für jeden toten Fisch, einen Baum im Korallenriff.
Dann gibt es die Vegetarier zu beachten. Das geschieht durch einfaches weglassen der Fleischbeilage und einer extra Überschrift. Schwerer wird es Veganer zufriedenzustellen. Die wissen genau über die körperlichen Reaktionen bescheid, aber haben keine Vorstellungen was sie wirklich wollen. Bei Nachfragen kommt dann immer eine Aufklärung über die einzig richtige Lebensweise heraus. Aber wir finden immer etwas. Zum Glück hält sich die restliche Diätlage in Grenzen. Also kein extra Menü für Gluten, Laktose, Carb oder Fettreduktionsgerichte. Da fällt mir mein kleiner Trip nach Norwegen ein, es gab keinen Tisch, an dem nicht mindestens einer der Gäste in einer Diät Ausnahmesituation war. Monate später hatte ich für Flüchtlinge gekocht. Im selben Hotel. Also Arabisch. Jedesmal wenn einer Flüchtlinge vom Arzt zurück kam, hatte er ein Papier mit Diätanweisungen vom Arzt dabei.
Also unser Menü soll Freude am Essen vermitteln, gerne gehen wir auf extra Wünsche ein. Allerdings werden diese auch wie extra Wünsche behandelt und sollen extra bezahlt werden. Sonst bräuchten wir mehr Köche und Kellner und müssten diesen Mehraufwand auf alle verteilen.
Schon kommen wir zur Kalkulation. Dieses Thema wurde schon in dem Krimi “ Die Leichtigkeit des Kommas“ beschrieben. Die meisten Gastronomen erledigen diese Hochkomplizierten Rechnungen mit einem Gang zum Menüaushang des Mitbewerbers.
Dazu kommen Steuern, momentan gibt es neue Steuern. Keiner ist genau informiert, bis auf die Lieferanten. Die haben diese Steuern schon bei der letzten Lieferung aufgeschlagen. Die neuen Preislisten kamen nach der Lieferung. Gedruckt mit Helvetica 4. Auf Öko Papier in grau.
Nach der Kalkulation geht es an die Menüformulierung. Ja genau, es muß auch gut klingen! Einen „gem.Salat“ kauft uns Heute keiner mehr ab. Aber einen „saisonalen Salat aus der Region“ schon!
Dann gibt es ein Sorgenkind „Die Klassiker“ Da haben wir als Beispiel die Tomatensuppe. Ist ein Muß wie der Tomatensaft im Ferienflieger. Aber als Koch, als Herzblut Koch geht das nicht! Also machen wir die Suppe mit Kapern! Mit explodierten Kapern! Schon wird das ganze prickelnd.
Rezept explodierte Kapern: Dicke fette Kapern kaufen, mit einem Küchentuch abtupfen. Dann versuchen die Kapernblüten etwas zu öffnen. In der Zwischenzeit wird etwas Sonnenblumenöl erhitzt bis es Frittiertemperatur erreicht hat. Das kann man feststellen wenn man den Finger nicht mehr reinhalten kann. Der Aua Punkt muß überschritten sein. Wenn die Kapern jetzt in das Fett kommen und nicht genug abgetropft sind, fliegen einem die Dinger um die Ohren wir die Kugeln von James Bonds Walther PPK. Nach kurzer Zeit und kurz bevor die Kapern verbrennen, nehmen wir sie heraus und legen Sie auf ein Küchentuch. Die Tomaten Suppe sollte schon fertig sein und etwas Basilikum Schaum obenauf sein. Oder auch nicht.
Für die Tomatensuppe gibt es Millionen Rezepte. Aber ich mache die immer aus zwei Sorten reifen Tomaten. Einmal Fleischtomaten, die einfach püriert werden, langsam eingekocht und passiert. Dazu kommen Tomaten mit viel Flüssigkeit und Kernen. Diese werden richtig reduziert (eingekocht). Da kommt so richtig die Säure zu den Tomaten. Ebenfalls passieren und beide Tomaten Pürees zusammenschütten. Man kann auch beim kochen ein paar Tomatenrispen dazugeben, das gibt eine tolle fruchtige Note. Notfalls mit etwas Mineralwasser verdünnen, notfalls mit etwas Gin abschmecken (also immer!)
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Da bin ich jetzt fast fertig. Aber das muß ja auch noch im Computer gesetzt werden. Endlich mal eine Arbeit die den Spieltrieb im Manne weckt. Farben, Sprüche, Informationen und Fachwissen kommt alles auf das Papier. Wenn da nicht die Tochter wäre, die die Druck Etikette beherrscht. Wenn da nicht der Sohn wäre, der weiß was hip ist. Wenn da nicht die Frau wäre, die dem Männerspieltrieb einen femininen Drall gibt.
Nach Brainwash kommt der Druck. Jetzt aber schnell! Wenn da nicht ein Fest anliegt und keiner arbeitet. Als nächstes vergesse ich den Anhang bei der Mail mitzuschicken. Ok, danach ist Stromausfall und ich bin genervt. Irgendwann kommt das Menü und ich werde wegen der Fehler von allen Seiten wie ein Legastheniker angesehen, obwohl das Dokument von drei Personen zur Korrektur gelesen wurde. Ich bin schuld. Jetzt erst geht es an das Training. Wenn wir früher anfangen, bringen die Köche das alte und neue Menü durcheinander und es entsteht ein „Sub underground Menü“
Nach dem Training kommt der Moment der Wahrheit. Das muß ein Tag sein an dem es etwas ruhiger ist. Der Wechsel! Der erste Tisch fragt nach einem Gericht das wir vor 10 Jahren auf der Karte hatten. Super, da hat sich die Arbeit ja gelohnt.

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