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Tischmanieren

Tischmanieren kennt man schon seit der Steinzeit, so hatte der Jäger, also meistens der Mann, das Vorrecht auf das beste und größte Stück Fleisch, damit er stark bleibt für die nächste Jagd. Diese Sitte hat sich erstaunlicherweise bis heute in einigen Familien gehalten.
Ursprünglich wurde überall mit den Fingern gegessen, später wurden speziell im asiatischen Teil der Welt, Stäbchen verwendet. Erst im 16. Jahrhundert fing der Siegeszug der Gabel an. (Löffel und Messer wurden schon immer als Werkzeuge benutzt.) Generell wird im heutigen Ägypten mit Messer und Gabel gegessen. Wobei Brot ebenso wie bei uns in Europa mit den Händen dazu gegessen wird. Bitte das Brot immer in Mundgerechte Stückchen reißen bevor es in die Tahina getaucht wird. Man sollte seine DNA für sich behalten und nicht mit anderen teilen. Ausser Sie sind verheiratet und tauschen sowieso feuchtnasse Küsse aus.
Wir als Europäer werden selten zu einem Mahl eingeladen, bei dem auf dem Boden und mit den Händen gegessen wird. Auch bei uns wird der Blick in das Familieninnerste nicht preisgegeben wenn Gäste dabei sind. Kinder werden zur Ruhe ermahnt und der Großvater bleibt wegen permanenter Rülpsgefahr  in seinem Zimmer. Dabei hatte die Sitte mit den Händen zu essen durchaus seine Berechtigung. Wir riechen beim essen und wir schmecken das essen. Mit den Händen kann man aber auch fühlen. Konsistenz. Temperatur und ob sich eventuell ein Käfer in den Reis verirrt hat.
So hat sich einiges erhalten und einiges sollte sich verändern. Ich kann mich gut erinnern eines Tages die Köche eines unserer Restaurants auf dem Boden sitzend (Auf Sitzpolstern) und alle aßen mit ihrem Löffel aus dem Gemeinschaftstopf in der Mitte. Als Gruppentherapie unbedingt geeignet. Aber so wanderten die Löffel der Leute immer wieder vom Mund in den Topf. Alle Erklärungen halfen nichts. Das machen wir zu Hause auch so. Wir sind Ägypter!
Erst als meiner einzigartigen Hygieneberaterin und mir ein Beispiel einfiel, wurde das Problem erkannt.Einer der Köche hatte zum wiederholten mal eine ausländische Freundin, nichts gegen seine Interkulturellen Leidenschaften, aber wir erzählten einfach etwas von Krankheiten die ja nur Ausländer bekommen könnten. Vogelgrippe, Aids, die schwarze Pest und Emanzipation. Sicher hat er Ihr auch mal ein “Freundschaftsküsschen” auf die Wange gegeben. Damit hat er alle Bakterien, Viren und DNA´s in sich und gibt diese mit dem Löffel aus dem Mund an seine Kollegen weiter. Das hatte gewirkt. Der Hygienegedanke hatte eine neue Dimension bekommen.
Ein gravierender Unterschied zwischen unseren Kulturen ist aber der leere Teller. Bei uns bedeutet ein leerer Teller Zufriedenheit, es hat geschmeckt und am besten wird die Sauce noch mit einem Brot abgewischt. Also rundherum lecker. Dann gibt es auch noch schönes Wetter, sollte der Teller leer sein. Da frage ich mich doch wieso in Ägypten die Sonne an jedem Tag scheint, obwohl die Teller nicht leer gegessen werden.
Es ist nicht üblich alles aufzuessen was angeboten wird. Es müsste schon ein sehr großer Zufall sein, sollte Ihr Hunger an dem Punkt gestillt sein, an dem auch auf dem Teller nichts mehr ist. Es wird solange nachgereicht, bis Sie etwas auf dem Teller lassen. Das es schmeckt ist ja wohl selbstverständlich, oder lassen Sie Sich zu einem stadtbekannt schlechtem Koch einladen?  Also etwas auf dem Teller lassen!
Gastfreundschaft hat in Ãgypten einen sehr hohen Stellenwert. Dementsprechend ist die zugeteilte Fürsorge manchmal erdrückend  aber nett gemeint. Wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen in Restaurants die Teller unter der Nase weggezogen werden. Auch dies ist ein Zeichen der Fürsorge. Ägyptische Gäste erwarten von einem gutem Service, die ungeteilte Aufmerksamkeit und dazu gehört ein aufgeräumter Tischplatz.
Dazu kommt die Geringschätzung für Dienstleistungsberufe die wohl noch aus der Sklavenzeit stammt. Wer etwas kann, wird bedient und bedient nicht. Aber so langsam ändern sich auch in Ägypten die Ansichten über Dienstleistungberufe.
Sobald ein Fest ansteht und sich die Kulturen in den Hotels vermischen, gibt es ein kleines nicht zu lösendes Problem. Die Ägyptischen Gäste machen sich die Teller voll bis zum Überlauf, wenn nicht gleich die ganze Platte mitgenommen wird. Die Europäer regen sich immer so schön auf und gehen dem aus dem Weg in dem sie unser Restaurant besuchen , weil wir kein Büffet anbieten. Aber es ist einfach zu erklären. Der normale Ägypter will damit zeigen, das er es gewohnt ist auch zu Hause die besten Spezialitäten im Überfluss zu haben. Das bedeutet, er ist reich, wichtig und es geht ihm gut!
Sie können bedenkenlos beide Hände zum Essen benutzen, die linke hat in Ägypten den Ruf als  unrein verloren, seit es die Anstandssitten vorschreiben sich vor und nach dem Essen beide Hände zu waschen. Durch Händekontakt werden die meisten bösen Dinge übertragen, die zu Pharaos Rache führen.
Die Tischsitten sind  auch für Europäer leicht verständlich. Aber Sie machen sich lächerlich, sollten Sie sich selbst zwingen, ein Gericht für gut zu befinden, das unserem Geschmacksempfinden völlig abgeht. Auch in Deutschland gibt es Speisen die eher eine Völkerkundliche Daseinsberechtigung haben als eine Geschmackliche. So gibt es auch hier Dinge die nach unserem Empfinden von der Special effects Abteilung eines Horrorfilmes erfunden wurden. Aber das ist jeweils eine sehr persönliche Sache und der Geschmack wird ja nicht nur auf der Zunge gebildet. Meine einzige Ehefrau hatte für mich sogar eine Käsereise mitgemacht und wurde krank. Inzwischen liebt sie Rohmilchkäse fast mehr als mich. Aber Kauerah oder Molocheja sind grenzwertig für Europäer. Mainzer Handkäs übrigens auch!
Nach dem Hauptgang wird auch hier Süßes gereicht, sehr süßes sogar. Der Zuckerverbrauch in Ägypten ist um einiges höher als in Deutschland. Süßes ist hier gleichzusetzen mit der Leichtigkeit des seins, mit Fröhlichkeit und wohlbefinden. Bei Beerdigungen wird Kaffee und Tee immer ohne Zucker getrunken.

Dann mal Guten Appetit

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